En  De  Fr  

Soll man Eigennamen übersetzen oder lassen?

Ein Pastor aus Afrika schrieb uns: Als die Bibel in meine Sprache übersetzt wurde, behielt man, wie in andern Sprachen üblich, die hebräischen Eigennamen bei, anstatt sie zu übersetzen. Ich denke, diese Praxis war ein Hindernis für die Einheimischen, die Bibel zu verstehen und anzunehmen. Daher meine Frage: Ist es nicht möglich, die Namen von Personen zu übersetzen, um das Verständnis und die Annahme des Wortes Gottes zu erleichtern?

Christoph Müller (Übersetzungsberater): Kurz gesagt: Das ist in den meisten Fällen keine gute Idee. Diese Frage betrifft jedoch nicht nur ein Detail, denn unser Name macht einen wesentlichen Teil unserer Identität aus. Ein Beispiel: Es ist entwürdigend für Gefangene, wenn sie statt mit ihrem Namen nur mit einer Nummer angesprochen werden. Für eine Übersetzung spräche, dass einige hebräische Namen in den Ohren der Sprecher so klangen, als hätten sie eine tiefgründige, geistliche, witzige, polemische oder satirische Bedeutung. Beispiele:

  • David: Liebling oder Onkel
  • Samuel: Gott fügt es / Gott stellt (hin)
  • Saul: der Erbetene
  • Eglon: fettes Kalb
  • Ruth: Weggefährtin
  • Chilion: kränklich
  • Elimelech: Mein Gott ist König.
  • Boaz: In ihm ist Kraft.
  • Simson: Sünneli
  • Adam: Mensch
  • Noah: Ruhe

Das klingt zwar überzeugend – nur ist es nicht so eindeutig:

  1. Wenn man einen Namen übersetzt, läge der Fokus auf dieser Bedeutung und der Sprachwitz würde überhöht. Im Hebräischen werden jedoch meist übliche, unauffällige Namen verwendet.
  2. Namen nicht zu übersetzen, ist eine alte Tradition, denn niemand denkt bei Christoph an einen «Christusträger» oder bei Claudia an eine «Lahme», obwohl dies die ursprüngliche Bedeutung ist. Auch ein Zentralafrikaner mit dem Namen «Alakembi», zu Deutsch „Sie hassen mich“, hat deswegen keine zwischenmenschlichen Probleme.
  3. Am stärksten dagegen spricht jedoch, dass man längst nicht alle Namen «übersetzen» kann. In vielen Fällen kennt man die Bedeutung gar nicht oder nicht genau; da müsste man den Namen trotzdem transkribieren, um nicht einfach eine Vermutung hinzuschreiben.

Ein Ausweg sind Fussnoten mit Erklärungen, wenn die Bedeutung eines Namens sehr augenscheinlich oder gar für das Verständnis des Textes nötig ist, besonders da, wo eine Person eine wichtige Rolle im Text hat.

Übrigens, ein weiterer Name aus Zentralafrika lautet Gnikomagnima „(bloss) ein Kind (zu haben) ist kein Kind (haben)“. Das erinnert ja direkt an Rahels Namensgebung ihres Erstgeborenen, Josef „er fügt/füge hinzu“, also so ungefähr „bitte nochmals ein Kind“!