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Wie vorbildlich hat Martin Luther übersetzt?

In seinem Sendbrief vom Dolmetschen (1530) erklärte Martin Luther, wie die Bibel zu übersetzen sei. Ein wichtiger Punkt ist für ihn die Verständlichkeit. Als Beispiel nimmt er Markus 14,4, wo es wörtlich heisst: Wozu ist diese Vergeudung des Salböls geschehen? (Elberfelder)

In Markus 14,4 sagt der Verräter Judas: Ut quid perditio ista unguenti facta est? Folge ich den Eseln und Buchstabilisten, so muss ich’s so verdeutschen: Warum ist diese Verlierung der Salben geschehen? Was ist aber das für Deutsch? Welcher Deutsche redet so: Verlierung der Salben ist geschehen? Und wenn er’s recht verstehet, so denkt er, die Salbe sei verloren und er müsse sie wohl wieder suchen, wiewohl das auch noch dunkel und ungewiss lautet. (…) Nein, es ist schade um die Salbe —  das ist gutes Deutsch, daraus man verstehet, daß Magdalene mit der verschütteten Salbe sei unzweckmäßig umgegangen und habe verschwendet; das war Judas’ Meinung, denn er gedachte, einen besseren Zweck damit zu erfüllen.

An einer andern Stelle schreibt Luther:

Doch hab ich wiederum nicht allzu frei die Buchstaben lassen fahren, sondern mit großer Sorgfalt samt meinen Gehilfen darauf gesehen, so daß, wo es etwa drauf ankam, da hab ich’s nach den Buchstaben behalten und bin nicht so frei davon abgewichen; wie Johannes 6,27, wo Christus spricht: Diesen hat Gott der Vater versiegelt. Da wäre wohl besser Deutsch gewesen: Diesen hat Gott der Vater gezeichnet, oder, diesen meinet Gott der Vater. Aber ich habe eher wollen der deutschen Sprache Abbruch tun, denn von dem Wort weichen. Ach, es ist Dolmetschen keineswegs eines jeglichen Kunst, wie die tollen Heiligen meinen; es gehöret dazu ein recht fromm, treu, fleißig, furchtsam, christlich gelehret, erfahren, geübet Herz.

Quelle: Martin Luther, Sendbrief vom Dolmetschen