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Ist verraten dasselbe wie verkaufen?

Auf der Suche nach einer Übersetzung für verraten ins Tado-Lindu verzweifeln auch die Erfahrensten im Team. Offenbar fehlt in der Kultur und Sprache der Lindu ein Begriff dafür. Was also tun? Das Ringen um den passenden Ausdruck führt zu in einer langwierigen Diskussion. Mit Händen und Füssen versucht der auswärtige Berater Budy* durch Bilder und Beispiele zu erklären, was Judasʼ Verhalten gegenüber Jesus wirklich bedeutet.

«Wenn im Dorf», nimmt Budy einen neuen Anlauf, «ein älterer Bruder oder eine ältere Schwester Reisfelder verkauft, ohne dass die Grossfamilie davon weiss, wie würde diese reagieren, wenn es auf einmal herauskäme?» Zornentbrannt erwidert das Team einstimmig: «Bodenlose Frechheit!»

Sowohl die Wut als auch die Vehemenz der Reaktion des Teams machen klar, welch entschiedene Zurückweisung jeden Lindu erwartet, der Mitmenschen betrügt. Der Verkauf von Grund und Boden ohne die Zustimmung der Grossfamilie gilt unter den Lindu als schändliches Verhalten. Aber gar einen Menschen zu verkaufen, um fetten Profit daraus zu schlagen, käme jenen besonders unverschämten Verfehlungen gleich, die bei den Lindu dem Tabu unterliegen. Aus diesem Grund entscheidet sich das Übersetzungsteam schliesslich, für die Schilderung von Judasʼ Handlung den Ausdruck «nampobalu» mit der Bedeutung verkaufen zu verwenden.

Als die Lindu später beim Testen der Übersetzung das Wort «nampobalu» hören, fletschen sie vor Wut über Judasʼ Unverschämtheit die Zähne. Dieser Erfolg beflügelt das Team, die schwierige Übersetzungsarbeit fortzuführen, aber auch ihre Glaubensgeschwister unter den Lindu weiterhin anzuleiten und in der Nachfolge anzuspornen.

Die Übersetzung hat Auswirkungen: Lindu, die sich der Tragweite dieses Wortes bewusst geworden sind, überdenken ihr eigenes Handeln im Licht des Evangeliums: Im Zusammenhang mit der Partnerwahl etwa kann das heissen, dass eine Person mit anderer Religionszugehörigkeit für sie nicht infrage kommt. Einen Ehepartner zu heiraten, der Jesus nicht als Herrn seines Lebens bekennt, würde bedeuten, den persönlichen Glauben im wahrsten Sinn des Wortes zu verkaufen.

Das in die Muttersprache übersetzte Evangelium hat Auswirkungen auf das Denken und in der Folge auf das Handeln. Eines Tages wird Gottes frohe Botschaft sämtliche Sprachbarrieren überwunden haben – auch auf der letzten Insel.

* Budy Karmoy, Exeget und Koordinator im Tado-Lindu-Projekt