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Künstliche Intelligenz und Bibelübersetzung

Macht künstliche Intelligenz (KI) Bibelübersetzung überflüssig? Kann sie die Arbeit daran übernehmen? Die kurze Antwort lautet „nein“, aber künstliche Intelligenz kann dabei behilflich sein.

ChatGPT und andere Chatbots (Wikipedia) sind Bots (Kurzform von “Roboter”), mit denen man chattet und auf Fragen intelligent scheinende Antworten bekommt. Da die Intelligenz dahinter von einem Computer und nicht von Menschen stammt, spricht man von künstlicher Intelligenz. Die Antworten basieren auf Millionen von Seiten Text (ChatGPT wurde mit 300 Milliarden Wörtern trainiert); ganz ähnlich funktioniert auch schon länger bekannte Übersetzungssoftware wie Google Translate oder DeepL.

In Sprachen, in denen es noch keine Bibelübersetzung gibt, existiert allermeist auch sonst keine Literatur und sie entbehren daher der Datengrundlage, die für die Programmierung eines sattelfesten Chatbots erforderlich ist. Dafür weisen derzeit weltweit nur 33 Sprachen von rund 7000 Sprachen genügend digitale Daten auf. (Stichwort Digital Language Divide)

Trotzdem gibt es Anwendungsmöglichkeiten, durch die die Übersetzungsarbeit erleichtert und beschleunigt werden kann. Drei seien hier genannt.

  • Der Arbeitsalltag eines Übersetzerteams kann durch einen Chatbot vereinfacht werden. Dieser dient ihnen als eine Art Copilot, wobei der Übersetzer der Pilot ist und bleiben wird. Ein Chatbot kann Übersetzungsvorschläge machen. Je mehr biblische Bücher schon übersetzt sind, desto besser werden diese Vorschläge. Auch wenn der Übersetzer etwas in einem Lexikon nachschlagen möchte, hilft künstliche Intelligenz. Ein Beispiel: Der Übersetzer stösst auf das Wort „Ephod“. Statt nun 17 Seiten aus verschiedenen Quellen durchsuchen zu müssen, tippt er die Frage ein: „Was ist ein Ephod und wie soll ich das übersetzen?” Ein Chatbot, der mit der entsprechenden Fachliteratur gefüttert wurde, findet schnell heraus, welche Quelle dazu am besten passt und nennt diese. Ein anderes Beispiel wäre eine Frage wie „Weshalb wollte Jona nicht nach Ninive gehen?“ Der Chatbot kann dazu eine Antwort formulieren. Aber wohlgemerkt: Diese Kommunikation läuft in der Verkehrssprache, also z. B. Englisch, Französisch oder Indonesisch, nicht in der zu übersetzenden Sprache.
  • Auch beim Prüfen der Übersetzung kann KI helfen. Unsere Partnerorganisation SIL hat z. B. AquA entwickelt. Diese Software vergleicht Texte in zwei verschiedenen Sprachen, zum Beispiel den englischen Ausgangstext mit dem Übersetzungsentwurf in der lokalen Sprache. Beim Vergleichen weist AquA dann auf mindestens viererlei Unterschiede hin: a) Wie wörtlich folgt die Übersetzung dem Wortlaut der Vorlage? b) Ist die Anzahl der Wörter in beiden Sprachen gleich? c) Ist die Bedeutung in beiden Sprachen dieselbe? d) Wie gut lesbar ist der Text? (Die Antwort erfolgt aus statistischen Berechnungen zu den Satz- und Wortlängen.) In AquA stehen dem Übersetzer bereits 109 Sprachen zur Verfügung, mit denen er einen Vergleich anstellen kann.
  • Wenn das Neue Testament schon in einer Sprache verfügbar ist, kann KI anhand des Texts des Neuen Testamentes für die Übersetzung des Alten Testamentes genutzt werden. Ein Test in einer Sprache Südasiens ergab ein erstaunlich gutes Resultat. Trotz vieler möglicher Verbformen tönten die Sätze meistens natürlich und waren grammatikalisch perfekt. Die Genauigkeit liess jedoch zu wünschen übrig, mit häufigen sonderbaren Fehlern. In solchen Fällen ist das Eingreifen des Übersetzers unverzichtbar. Trotzdem konnte dank KI die Zeit zum Erstellen eines Erstentwurfs verkürzt werden. Wer die Vorgehensweise beim Übersetzen kennt, weiss jedoch, dass der eigentliche Arbeitsaufwand erst nach dem Entwurf beginnt, denn die darauf folgenden Etappen des Testens und die verschiedenen Überprüfungen brauchen viel mehr Zeit.

Chatbots und künstliche Intelligenz werden Bibelübersetzer nicht ersetzen können. Doch sind sie weitere Werkzeuge, die man mit Sorgfalt einsetzen darf. Übersetzung bleibt jedoch weiterhin ein Handwerk und eine Kunst – ohne den Meister, den menschlichen Sprachexperten, und noch viel weniger ohne den Autor der Bibel kommt sie nicht aus.

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Quellen: wycliffe.net und andere; vgl. auch den Artikel auf livenet