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Endlich kann ich lesen!

Kipkemboi* liebt das Lernen und freut sich darauf, zur Schule zu gehen. Alle seine Freunde gehen dorthin und es wird viel Spass machen. Er kommt an seinem ersten Tag in der Grundschule an und ist aufgeregt, seine Freunde zu sehen. Auch sie sind aufgeregt. Nach dem Appell beginnt der Lehrer mit dem Unterricht. Es geht um etwas, das mit dem Lesenlernen zu tun hat, aber Kipkemboi versteht nicht wirklich, worum es geht. Genauso wenig wie seine Freunde.

Die Lehrerin spricht nämlich Englisch und kündigt an, wie sie auf Englisch lesen lernen werden. Kipkemboi versteht vage Englisch, weil er es von anderen schon gehört hat, aber die meisten Menschen in seinem Dorf sprechen Pokot – seine Sprache – nicht Englisch.

Gegenüber den Kindern, die es schaffen, lesen zu lernen, kann Kipkemboi nicht mithalten und er bleibt in der Schule zurück. Er verliert das Interesse am Unterricht und hört bald ganz auf, die Schule zu besuchen.

Nach drei Jahren kommt seine jüngere Schwester, Chepkesio, zu ihrem ersten Schultag in die Schule. Aber was ist passiert? Der Lehrer spricht in Pokot und bringt der Klasse das Lesen auf Pokot bei. Chepkesio versteht alles, was ihr Lehrer sagt, und lernt bald lesen. Wenn dann das Fach Englisch an der Reihe ist, verfügt sie bereits über die Fähigkeiten, die sie braucht, um in anderen Sprache lesen zu lernen. Chepkesio wird in der Lage sein, ihre Studien fortzusetzen und ihre Schulausbildung abzuschliessen.

Worin besteht der Unterschied?

Die Antwort liegt in einem kleinen, aber wichtigen Alphabetisierungsprogramm, das jetzt in der Pokot-Gemeinschaft durchgeführt wird. Schon nach wenigen Jahren ist klar, dass die Kinder jetzt viel leichter lesen lernen als früher. Die Bildungsbeamten der Regierung sind von den Ergebnissen begeistert. Die Kinder haben jetzt eine viel bessere Grundlage für ihr Lernen und für die Zeit, in der sie Englisch lernen werden. Die Zukunft der Bildung in Pokot ist vielversprechend.

Der besondere Vorteil für die Pokot-Kinder, in ihrer eigenen Sprache lesen zu lernen, besteht darin, dass sie jetzt tatsächlich lesen lernen, während sie vorher angeblich Englisch lesen lernten, es aber nicht wirklich verstanden – mit vorhersehbaren Folgen. Mit einer soliden Grundlage, die auf der Kenntnis des Pokot-Lesens beruht, werden die Kinder später in der Schule viel leichter in der Lage sein, die englische Sprache zu beherrschen.

Die Ansichten des Pokot-Volkes haben sich durch das Programm geändert. Der Pokot-Parlamentsabgeordnete für den Bezirk Amudat sagt dazu: «Ich wusste bis heute nicht, dass Englisch eine lokale Sprache ist, wie jede andere Sprache auf der Welt auch. Ich dachte, es sei eine Sprache, die jeder lernen muss.»

Und Rachel, eine der Pokot-Lehrerinnen, sagt: «Ich bin sehr glücklich und fühle mich wie neu geboren. Ich schätze die Forschungen über unsere traditionellen Lieder sehr.»

Die positiven Auswirkungen des Lesens sind zahlreich und weitreichend, und so bereitet dieses Grundschul-Leseprogramm die Kinder auf ihr zukünftiges Leben vor. Die Pokot-Gemeinschaft kann die Vorteile sehen. Wie ein Pokot sagte: «Jetzt, da wir wissen, was unsere Sprache in den Schulen bewirken wird, werden wir unsere Kinder in die Schule bringen.»

Was brachte die Bibelübersetzung?

Das Pokot-Bibelübersetzungsteam war das erste, das die Pokot-Sprache niederschrieb, ein Schriftsystem und ein Pokot-Wörterbuch entwickelte und schliesslich die Bibel ins Pokot übersetzte. Die Pokot-Gemeinschaft verfügt seit 2009 über die Bibel in ihrer Sprache. Sie wird jedoch nicht häufig verwendet. Das ist kaum verwunderlich, da die Pokot-Kinder nicht lesen lernen und kaum eine Ausbildung erhalten. Das Programm wird den Pokot-Kindern also die Möglichkeit geben, die Bibel in ihrer eigenen Sprache zu lesen – etwas, das ihnen derzeit verwehrt wird.

Und es ist der Arbeit des Pokot-Bibelübersetzungsteams zu verdanken, dass auf dieser Grundlage die Lesematerialien entwickeln werden konnten.

Das wiederum bedeutet, dass die Bemühungen, die Bibel in die Pokot-Sprache zu übersetzen, letztlich dazu beigetragen haben, Kindern wie Kipkemboi und Chepkisio die Chance auf eine Schulbildung zu geben – und all die Chancen und Möglichkeiten, die Bildung eröffnet.

*Die Geschichte von Kipkemboi und Chepkesio ist eine Zusammenstellung einer Reihe von Geschichten aus dem wirklichen Leben über die Auswirkungen der Alphabetisierungsarbeit der Pokot.

Quelle: Wycliffe UK