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Jekami in der Linguistik

In der linguistischen Analyse kann jeder mitmachen (=Jekami!). Es ist weder nötig noch hilfreich, dass der auswärtige Linguist alles macht und nachher die Resultate verkündigt. Seine Aufgabe ist die eines «Facilitators» (eine Art Moderator und Animator). Bei einem Treffen arbeitet ein Linguist mit rund 15 interessierten Sprechern, bunt gemischt: jung und alt, vom Analphabeten bis zum Schuldirektor.

Die meisten Menschen in Gesellschaften, die keine oder sehr wenig schriftliche Kommunikation brauchen, lieben es miteinander über ihre Sprache zu diskutieren – es ist ein soziales Ereignis. Die Beiträge der älteren Menschen sind besonders wertvoll, denn sie sind wandelnde Wörterbücher, die vielleicht bald nicht mehr da sind. Sie werden hoch geachtet. Wenn die Leute sehen, dass die Aufgabe der Sprachanalyse ihnen allen übertragen ist, machen sie das Projekt von Anfang an zu ihrem eigenen.

Jekami beginnt schon beim Sammeln der Wörter: nicht die Linguistin schreibt sie auf, sondern die Sprecher selbst, obwohl sie sie noch nie geschrieben haben. Dabei merken sie, dass sie dies ja können!

Danach geht es ums Vergleichen der Wörter: Ist dies derselbe Vokal in den beiden Wörtern oder sind es zwei verschiedene Vokale? Wieder gibt nicht die Linguistin die Antwort vor, sondern die Sprecher finden selbst heraus, welche Vokale ihre Sprache hat. Wenn sie dann entdecken, dass sie 9 Vokale haben, wollen sie diese 9 auch schreiben. Wenn man ihnen die 9 Vokale einfach vorsetzt, reagieren sie skeptisch, denn die Landessprache hat nur 5 Vokale.

Bei allen Analyseschritten merken sie: es ist ihre Sprache. Die Sprache gehört nicht dem Linguisten oder den Beratern oder den Geldgebern (!), sondern den Menschen, die sie sprechen.

Ein Grundsatz ist, dass man den Teilnehmern jederzeit mitteilt, was man tut und warum man eine bestimmte Sache tut. Wenn sie auf diese Weise einbezogen werden und sich beteiligen, verstehen sie auch das Ziel der Aktivitäten. Dies wird nicht nur die Analyse beschleunigen, sondern auch zu ihrer Qualität beitragen. Wenn die Leute ihre eigenen Entdeckungen in ihrer Sprache machen, fallen da und dort auch Bemerkungen. Solche Kommentare der Teilnehmer können Hypothesen bestätigen, andere widerlegen oder zusätzliche Daten liefern, um die Analyse voranzutreiben.

Das Wichtigste: der Mensch liebt seine Sprache. Sie bildet einen wichtigen Teil seiner Identität. Die Menschen sind begeistert, wenn sie den Reichtum ihres Wortschatzes und die grammatischen Muster sehen, z.B. die Unterscheidung Singular und Plural, Diminutive (Verkleinerungsform), Augmentative (Vergrösserungsform) und so weiter. Sie hatten vielleicht die Vorstellung, dass die Landessprache eine echte Sprache sei, aber ihre nur ein «Dialekt», weil sie kein Wörterbuch, keine Grammatik oder kein Alphabet hat. Indem sie ihre eigene Sprache entdecken, merken sie, dass auch sie eine vollwertige Sprache ist. Dies bekräftigt ihre Identität, was ein weitaus grösserer Gewinn ist als nur die abgeschlossene Analyse einer weiteren Sprache.