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Jost Zetzsche und Ruth Anna Spooner
Dieses Gespräch wurde aus Gründen der Länge und Klarheit bearbeitet.
Zetzsche: Lass uns unser Gespräch mit einem offensichtlichen Unterschied zwischen schriftlichen und gebärdensprachlichen Übersetzungen beginnen. Bei den über 400 offiziell anerkannten Gebärdensprachen weltweit werden unterschiedliche Strategien im Umgang mit Eigennamen verfolgt. Einige Gebärdensprachen buchstabieren die meisten Namen mithilfe des Fingeralphabets und übersetzen einige Namen mit einer neuen Bedeutung oder auf Grundlage ihrer ursprünglichen Bedeutung. Andere, wie Libras (brasilianische Gebärdensprache), geben schlichtweg alle Namen mit einer bedeutungsbasierten Übersetzung wieder.
Bei der schriftlichen Bibelübersetzung ist die Bedeutung von Namen in den Originaltexten zwar wichtig, verliert aber normalerweise diese Bedeutung im übersetzten Text. Bei der semantischen Übersetzung in Gebärdensprachen werden die Namen allerdings häufig nicht entsprechend der ursprünglichen Bedeutung der Namen wiedergegeben, sondern mit anderen bedeutungsbasierten Ausdrücken, die sich darüber hinaus noch oft von einer Gebärdensprache zur anderen unterscheiden.
Kannst du mir helfen, das zu verstehen?
Spooner: Namen sind in allen Sprachen faszinierend. Wir alle wissen, dass derselbe Name in verschiedenen Sprachen unterschiedlich ausgesprochen und geschrieben werden kann: Johann (Deutsch), Juan (Spanisch), Giovanni (Italienisch), Jean (Französisch), John (Englisch), Ivan (Russisch) usw.
Gehörlose Menschen geben jeder Person eine so genannte Namensgebärde – eine erfundene Gebärde, die eindeutig diese Person identifiziert. Bei der Gebärdensprache wird nicht die gesprochene Sprachversion des Namens einer Person verwendet (z. B. „Johannes“), sondern eine Gebärde für den Namen, um diese Person zu identifizieren und über sie kommunizieren zu können. Anstatt „RUTH ANNA“ mit dem Fingeralphabet zu buchstabieren, verwenden die Leute meine Namensgebärde, was viel effizienter und schneller ist.
In der Gehörlosengemeinschaft wird einem Individuum von einer gehörlosen Person eine spezifische Gebärde für den Namen zugewiesen. Gebärden können auf dem Aussehen, der Persönlichkeit oder einem Lieblingshobby der Person basieren oder mit der Bedeutung des Namens dieser Person zusammenhängen.
In der Kultur der amerikanischen Gebärdensprache (ASL) erhalten Menschen nur dann Gebärden für deren Namen, wenn sie in die Gehörlosengemeinschaft eingebunden sind oder wenn es sich um häufig diskutierte historische oder zeitgenössische Persönlichkeiten handelt (z. B. William Shakespeare). Da die meisten biblischen Figuren noch keine Gebärden für deren Namen haben, müssen Übersetzerteams für Gebärdensprachen Namen häufig auf der Grundlage spärlicher Daten erfinden.
Nehmen wir z. B. David, über den wir viel wissen. Wir wissen, dass er einen Riesen getötet hat, gutaussehend war, ein Mann nach Gottes Willen, ein Hirte, ein Musiker, ein Dichter, ein berühmter Krieger, ein König, ein Ehebrecher und der Vater von Salomon. Ich kenne z. B. Namensgebärden für David auf der Grundlage von König. Ich kenne auch einige Gebärden, die auf seinen musikalischen und poetischen Fähigkeiten beruhen. Andere Gebärden für seinen Namen spiegeln den jungen Hirten wider, der er war, als wir ihm zum ersten Mal in der Bibel begegnen, oder trägt die Bedeutung, dass er später einen Riesen getötet hat. Es gibt viele Variationen und alles hängt davon ab, welches Merkmal von jedem Team als das einprägsamste oder am besten erkennbare identifiziert wird, das dann mit David in Verbindung gebracht wird. Was am einprägsamsten oder am ehesten wiedererkennbar ist, kann aber auch von Kultur zu Kultur unterschiedlich sein, je nachdem, welche Eigenschaften in der jeweiligen Kultur mehr geschätzt werden.
Manchmal, wenn in den Versen explizit erwähnt wird, was ein Name bedeutet – beispielsweise bedeutet Isaak „Lachen“ – könnte ein Übersetzerteam dies als Hinweis dafür verwenden, dass die Namensgebärde eine gewisse Verbindung mit der Gebärde für diese Bedeutung aufweisen sollte.
In unserer ASL-Übersetzung hat Jakob, der haarlos und glatthäutig war, eine Namensgebärde, die sich wörtlich mit „glatte Armhaut“ rückübersetzen lässt, während sein Zwillingsbruder Esau, der bekanntermaßen behaart war, ein Namenszeichen hat, das auf behaarte Arme hinweist. Diese Namensgebärden kommunizieren mehr Bedeutung als nur den Namen der Person.
Zetzsche: Durch die Namensgebärden biblischer Figuren erfahren wir also mehr über diese Figuren, darüber hinaus scheint die Gebärdensprache aber eine noch tiefergehende Kommunikation zu ermöglichen. Wie wahrscheinlich für die meisten Christen ist es auch für mich wichtig, ein tiefgreifendes Verständnis für die Emotionen von biblischen Personen zu haben, um sie so auch aus dieser historischen Distanz besser verstehen zu können. Obwohl ich mir darüber im Klaren bin, dass jede Übersetzung auch eine Interpretation ist, hat es mich bewegt zu sehen, wie Jesu Gefühlen über den Körper des Dolmetschers zum Ausdruck verholfen wird.
Ein Beispiel hierfür ist die Geschichte der kanaanäischen Frau in Matthäus 15 in mexikanischer Gebärdensprache (Lengua de Señas Mexicana oder LSM). Anders als alles, was ich jemals im geschriebenen Text gelesen habe, zeigt der LSM-Dolmetscher hier die Tiefe der Überzeugung, der Freude und des Mitgefühls Jesu angesichts der Argumentation der kanaanäischen Frau. Ich kann mir nicht vorstellen, diese Passage jemals wieder zu lesen, ohne dann immer an diese intensive Visualisierung denken zu müssen.
Sehen Sie sich das Video mit einer englischen und spanischen Übersetzung an.)
Spooner: Wenn man einem Gehörlosen bei der Gebärdensprache zuschaut, fällt schnell auf, dass dieser mit seinem Gesicht und Körper in der Regel viel ausdrucksstärker ist als der durchschnittliche Hörende beim Sprechen einer gesprochenen Sprache.
Tatsächlich haben Hörende oft sogar das Gefühl, Gehörlose seien zu ausdrucksstark oder übermäßig emotional. Was ihnen jedoch nicht bewusst ist, ist wie viel Grammatik in Gesichtsausdrücken in Gebärdensprachen übermittelt wird. Ein großer Teil der Grammatik von Gebärdensprachen wird über das Gesicht kommuniziert. Entgegen der landläufigen Meinung kommuniziert die Gebärdensprache nicht nur über die Hände. Sie kommuniziert über die Hände, die Körperhaltung und das Gesicht – alles gleichzeitig.
Wenn man sich nur auf die Hände konzentriert, entgehen einem viele wichtige grammatikalische Informationen, die über die Mimik vermittelt werden. Hoch- oder heruntergezogene Augenbrauen (und wie weit sie hoch- und heruntergezogen werden) können zum Beispiel einen Satz in eine Frage verwandeln, eine Frage in eine Herausforderung oder eine Aussage in einen Befehl. Auch die Form des Mundes und der Wangen, die Lippenbewegungen und sogar die Zungenbewegungen sind wichtige Bestandteile der Grammatik bei der Gebärdensprache. Ebenso vermitteln die Position des Kopfes und die Bewegung der Schultern von einer Seite zur anderen viele wichtige grammatikalische und sprachliche Informationen.
Zetzsche: Ich muss zugeben, dass das alles Neuland für mich ist! Aber wenn ich mir die Gebärdensprache in den Videos anschaue, habe ich den trotzdem den Eindruck, auch viele Emotionen zu sehen. Interpretiere ich das falsch?
Spooner: Da sind Emotionen zu sehen. Das macht das Ganze noch komplexer. Viele der Gesichtsausdrücke erfüllen grammatikalische Funktionen, darüber hinaus manipuliert der Dolmetscher die Gesichtsausdrücke aber auch, um Emotionen auszudrücken und – besonders beim Erzählen einer Geschichte – die Persönlichkeit verschiedener Charaktere innerhalb der Geschichte darzustellen.
In der ASL-Sprache beispielsweise kann ein geübter Gebärdensprachler seine Augenbrauen bewegen und seinen Kopf neigen, um eine Frage zu formulieren, und gleichzeitig mit den Augenbrauen (und dem Rest des Gesichts) die Emotion hinter der Frage ausdrücken. Handelt es sich hier um eine gereizte Frage? Eine ärgerliche Frage? Eine unverfängliche Frage? Eine verzweifelte Frage? Das heißt, dass die Augenbrauen und der Rest des Gesichts gleichzeitig grammatikalische und emotionale Informationen kommunizieren.
In den Videos auf TIPs mit ihren Rückübersetzungen ins geschriebene Englisch kann man gut sehen, wie die Gebärdendolmetscher ihre Mimik nutzen, um Grammatik und Emotionen gleichzeitig zu vermitteln. Gesichtsausdrücke zur Darstellung von Emotionen und Grammatik sind bei der Gebärdensprache oft auf eine Art und Weise miteinander verknüpft, die es schwierig, wenn nicht gar unmöglich macht, diese zu unterscheiden. Bei einer Frage muss der Gebärdensprachdolmetscher beispielsweise wissen, ob es sich um eine ärgerliche Frage oder eine Frage aus echter Neugier handelt, um diese richtig kommunizieren zu können. Und weil du, Jost, keine Gebärdensprache kennst, stelle ich mir vor, dass das, was du in den Videos siehst, in deinen Augen alles emotional aussieht, was nicht verwunderlich ist. Es ist echt schön zu sehen, dass dich das so berührt. Es gibt jedoch noch eine ganz andere Ebene (die Grammatik), die du wahrscheinlich nicht verstehst.
Lass uns doch jetzt darüber reden, warum die Geschichte von Jesus und der kanaanäischen Frau in Matthäus 15 eine Menge Herausforderungen für die Übersetzung in Gebärdensprache mit sich bringt. Wir können die Wörter und Sätze übersetzen, aber in der Gebärdensprache müssen wir Dialoge verkörpern und vortragen, und daher ist es völlig unmöglich, Dialoge neutral wiederzugeben, ohne den Tonfall und die Gefühle der Person in diesem Moment zu zeigen.
In welchem Tonfall sagte Jesus also: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen Israels“? Bereut er das? War er standhaft? War er eher verspielt oder gar spöttisch? Was auch immer sein Tonfall war, hatte die Frau das Gefühl, sie könnte immer noch vor ihm niederknien. Hilft uns das mit seinem Tonfall weiter? Ein wenig wie bei Bühnenschauspielern müssen wir Übersetzer so gut wie möglich herausfinden, was seine Gefühle und sein Tonfall waren. (Und um es noch komplizierter zu machen: Vielleicht hat Jesus einen anderen Ton angeschlagen als das, was er in diesem Moment wirklich empfand; wenn das so ist, müssen wir auch das zeigen.) Es kann unterschiedliche Ansichten darüber geben, wie ein Vers – insbesondere bei Dialogen – vorgetragen werden sollte.
Und dann sagt Jesus: „Es ist nicht recht, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden vorzuwerfen.“ Das ist eine so seltsame Bemerkung – und dann wieder die Frage, wie war sein Ton jetzt? War er verspielt? Hat er die Frau auf die Probe gestellt? An welchem Punkt entschied Jesus, ihr zu helfen? Bevor er über die verlorenen Schafe Israels sprach? Oder nachdem sie vor ihm niedergekniet war? War Jesus zunächst zögerlich, ihr zu helfen, wurde dann aber von ihrem Glauben berührt und hat ihr deswegen geholfen? Oder wusste er von Anfang an, dass er helfen würde, und führte er das Gespräch nur zum Nutzen der Menschen in seiner Umgebung?
Zetzsche: All diese Aspekte müssen natürlich auch bei der Übersetzung eines Textes – oder genauer gesagt, dem Sinn eines Textes – in eine geschriebene Sprache berücksichtigt werden. Aber es ist schon erstaunlich, wie viel dringlicher diese Fragen nach Emotionen bei der Übersetzung in Gebärdensprachen sind.
Spooner: Du hast Recht – für Übersetzer dreht sich alles um den Sinn. Gehörlose Übersetzer wissen, dass die Bedeutung eines Textes aufgrund der nuancierten und performativen Natur der Gebärdensprache erheblich verändert werden kann, wenn Dolmetscher zu wenig oder zu viel Emotion zeigen. Wir müssen also sicherstellen, dass unsere Mimik und Körperbewegungen nicht nur die richtigen grammatikalischen Informationen wiedergeben, sondern auch das der Situation angemessene Maß an Emotionen.
Matthäus gibt uns keine genauen Hinweise darauf, was Jesu Ton oder Emotion war, als er diese Dinge sagte. Das ist etwas, was wir auf der Grundlage der knappen Hinweise in der Textpassage ableiten müssen. In den meisten schriftlichen Übersetzungen, mit denen ich vertraut bin, kommen die Übersetzer damit durch, die Dinge in einem ziemlich neutralen Ton zu halten und es so den Lesern zu überlassen, eigene Schlussfolgerungen und Interpretationen zu ziehen. Eine solche Neutralität ist bei Gebärdensprachübersetzungen oft nicht möglich.
Zetzsche: Ich war auch berührt von der Übersetzung in russische Gebärdensprache vom Gelähmten, der in Markus 2 durch das Dach hinabgelassen wird. In dieser Gebärdenübersetzung beobachtet Jesus die Bemühungen der Freunde des Mannes von dem Moment an, als seine Freunde anfangen, durch das Dach zu graben. Das macht natürlich Sinn, ist aber nur implizit im geschriebenen Text vorhanden. Während Jesus zusieht, wie der gelähmte Mann vor ihm heruntergelassen wird, zeigt der Dolmetscher, dass das Herz Jesu – und auch mein Herz als Reaktion darauf – vor Mitgefühl überfließt. Die letztendliche Freude des Geheilten und der Menge wird auf eine ansteckende Weise dargestellt, die man sich in schriftlicher Sprache nur schwer vorstellen kann.
(Sehen Sie sich das Video mit einer englischen und russischen Übersetzung an.)
Spooner: Ja, etwas in Gebärdensprache zu sehen, ist oft viel ergreifender als das Lesen von Wörtern auf einer Seite. Obwohl ich auch gern auf Englisch lese, berührt es einen auf eine ganz andere Art und Weise, wenn man die Verse in Gebärdensprache sieht.
Vielleicht liegt es zum Teil an den Entscheidungen, die der Gebärdensprachler in Bezug auf die Kommunikation von Haltung und Emotion treffen muss. Wir sind in der Lage, zu sehen, wie der Gebärdensprachler zu den Figuren wird, was sie auf eine greifbarere und dreidimensionalere Weise lebendig werden und atmen lässt, als nur die Worte auf einer Seite zu lesen. Die Performance des Dolmetschers ist fast mit einem Film vergleichbar. Wir sehen es mit unseren Augen und visualisieren es nicht nur in unseren Köpfen. Dadurch fallen uns Dinge auf, die wir beim Lesen eines geschriebenen Textes normalerweise nicht berücksichtigen oder die wir überfliegen.
Mein Team und ich sind alle gehörlos und zweisprachig in geschriebenem Englisch und amerikanischer Gebärdensprache. Vor ein paar Monaten haben wir an einigen Passagen des Alten Testaments über den Untergang von Juda und die Zerstörung des Tempels in Jerusalem gearbeitet. Wir haben diese Verse gelesen und analysiert und darüber gesprochen, wie man sie übersetzt.
Doch als wir den Dolmetscher dann filmten, waren wir alle erstaunt darüber, wie widerwärtig das Verhalten der Israeliten gegenüber Gott tatsächlich war. Kein Wunder, dass er so wütend auf sie war. Mit eigenen Augen zu sehen, wie die Taten der Israeliten in der Darbietung des Dolmetschers zum Leben erweckt wurden, machte das Ganze noch abstoßender und ergreifender. Als wir zu dem Teil kamen, an dem es um die eigentliche Zerstörung des Tempels ging, war das wie ein Schlag in die Magengrube für uns. Wir spürten die Trauer über diesen Verlust und das Exil mehr als je zuvor beim Lesen von englischen Übersetzungen.
Obwohl die Übersetzung in Gebärdensprache den gleichen Inhalt und den gleichen Sinn vermittelt wie die Übersetzung in geschriebener Sprache, bringt sie Ebenen von Bedeutung zum Vorschein, die bei Übersetzungen in geschriebener Sprache normalerweise nicht so auffällig sind. Neue und andere Dinge springen einem entgegen und berühren einen anders.
Es hat mich wirklich überrascht, zu lernen, was für eine Wirkung Übersetzungen in Gebärdensprache auf dich hatten. Manchmal denke ich, dass Menschen, die Gebärdensprachen nicht gelernt haben, nicht wirklich verstehen, was sie sehen. Aber deine Beobachtungen haben mir klar gemacht, dass, wenn man sich als ein hörender Nicht-Gebärdensprachler die Zeit nimmt, sich mit einer Übersetzung in Gebärdensprache wirklich zu beschäftigen – und nicht nur einen Blick auf die Videos wirft –, dann kann man den Text auf eine neue, tiefere Weise sehen und neue Einsichten gewinnen. Man muss Gebärdensprache nicht beherrschen, um von der Übersetzung berührt zu werden.
Quelle: Christianity Today